Welche Auswirkungen haben sie auf den Versicherungsschutz der Unternehmen?

Sanktionen sind wirtschaftliche und / oder politische Zwangsmaßnahmen von einzelnen Staaten, Staatengemeinschaften oder internationalen / regionalen Organisationen gegen andere Länder, Gruppen oder Individuen. Bereits vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber insbesondere nach dessen Beginn, machten diverse Sanktionen gegen Russland, aber auch gegen Belarus Schlagzeilen. Was genau verbieten sie, an wen sind sie gerichtet und was bedeuten sie für den Versicherungsschutz der Unternehmen?

Welche Sanktionen der EU gegen Russland existieren? Für wen und wo gelten sie?

Um es kurz und knapp zusammenzufassen: es gibt eine Menge an EU-Verordnungen, die als Grundlage der EU Sanktionen gegen Russland gelten (Verordnungen (EU) Nr. 269/2014 vom 27. März 2014; Nr. 692/2014 vom 23. Juni 2014; Nr. 833/2014 vom 31. Juli 2014; 263/2022 vom 23. Februar 2022). Dazu kommen Ergänzungen und Änderungen durch die vielen verschiedenen Sanktionspakete der EU. Die dazugehörigen Leitfäden der EU sind zwar nicht als Gesetze im engeren Sinne zu verstehen, haben also keine unmittelbar bindende Wirkung, aber sie müssen von den Mitgliedstaaten bei der Auslegung der Verordnungen und Gesetze berücksichtigt werden.

Die Sanktionen gelten sowohl für Personen, die eine EU-Staatsangehörigkeit besitzen, als auch für juristische Personen, die nach dem Recht eines Mitgliedsstaats gegründet worden sind. Sie gelten gleichermaßen innerhalb als auch außerhalb des Gebiets der EU. Auch Geschäfte von anderen juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, die zumindest teilweise im Gebiet der Union stattfinden, sind erfasst. Besonders brisant: sie gelten ab Inkrafttreten für neue Geschäfte, aber auch für Bestandsgeschäfte. Teilweise gibt es jedoch Übergangsfristen zur Umsetzung der neuen Sanktionen.

Was gilt in Bezug auf Versicherungen?

Besonders interessant im Rahmen der Versicherungswirtschaft ist, dass es in den Wirtschafts- und Finanzsanktionen auch einige Versicherungsverbote gibt.

Insbesondere im Zusammenhang mit sanktionierten Gütern wie z.B. Waffen, aber auch Stahl, gibt es ein Verbot der Bereitstellung von Finanzmitteln und Finanzhilfen. Dies umfasst auch den Versicherungs- und Rückversicherungsschutz (Art. 1 lit. o) iVm Güterverbot EU VO 833/2014). Mit der Bereitstellung von Finanzmitteln und -hilfen verbundene Vermittlungsdienste, wie zum Beispiel Versicherungsvermittlung, sind verboten (Art. 2 (2) EU VO 833/2014 iVm Art. 1 lit. d) iVm Güterverbot EU VO 833/2014). Hinsichtlich sanktionierter Güter, Technologien und ähnlichem sind zumeist eigenständige Versicherungsverbote und Versicherungsvermittlungsverbote geregelt (siehe Art. 3c (1) und (2) iVm Anhang XI und Art. 3c (4) lit. b) EU VO 833/2014).

Für sanktionierte Personen und Einrichtungen gilt Art. 5a EU VO 833/2014 – der Abschluss von Versicherungsverträgen oder Versicherungsvermittlungsverträgen ist verboten. Gemäß Art. 1 lit. o) derselben EU-Verordnung umfasst das Verbot ebenso die Auszahlung oder Verpflichtung hinsichtlich (bestehender) Versicherungs- und Rückversicherungsleistungen. Dies gilt selbst dann, wenn ein Urteil oder Schiedsspruch gegen den Versicherer besteht (Art. 1 lit. a) (v) EU VO 269/2014 vom 17. März 2014).

Die Menge an Sanktionen stellt die Wirtschaft vor ein Problem: was passiert, wenn sich zwei oder mehrere Sanktionen widersprechen? Für dieses Problem hält die EU Blocking Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 eine Lösung parat. Es herrscht ein Verbot, drittstaatliche Sanktionsregeln zu befolgen, und Rechtsgeschäfte, die hiergegen verstoßen, sind in der Regel unwirksam. Für Russland finden sich jedoch derzeit keine derlei gelisteten Gesetze.

Was gilt für internationale Versicherungen?

Der Dschungel der EU-Sanktionen ist schon schwer zu durchschauen – gelten dazu dann auch noch die internationalen Sanktionen? Es ist zumindest das Sanktionsregime der Länder zu berücksichtigen, in denen ein Versicherer zugelassen ist. Dabei kommt es zuerst auf die Sanktionsklausel im Versicherungsvertrag an, und ob sie bereits Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Sanktionsregimen abdeckt oder spezielle Sanktionen nennt, die berücksichtigt werden müssen.

Weiterhin ist Russland ein „Non-Admitted“-Verbotsland. Das bedeutet, dass nach russischem Recht Versicherungsschutz aus dem Ausland (zB. Deutschland) für in Russland belegene Risiken oder aber Unternehmen verboten ist. Deutschland ist außerdem als ein „unfreundlicher Staat“ kategorisiert, woraus sich ein Verbot für Versicherungs- und Rückversicherungsschutz für Risiken ergibt, die in Russland belegen sind.

Ob unter einer Lokalpolice Versicherungsschutz geboten werden kann bzw. darf, ist im Einzelfall genau zu prüfen. Die Erfahrung zeigt, dass auch große Programmversicherer oftmals sehr zögerlich sind, wenn es darum geht, dass Ihre Auslandstochter, bei der die Lokalpolice besteht, im Schadenfall tatsächlich leisten soll. Eher scheint es, dass auch die deutsche Mutter des Versicherers nicht mit Leistungen im „problematischen“ Drittland (also etwa in Russland, Belarus) in Verbindung gebracht werden möchte. Dann hilft auch die Lokalpolice schnell nicht mehr weiter.

Zivilrechtliche Auswirkung der Sanktionen auf die Versicherungsverträge

Vieles ist mittelbar oder unmittelbar verboten – aber was, wenn man letztlich doch dagegen verstößt? Welche zivilrechtliche Auswirkung haben die Sanktionen auf den Versicherungsschutz bzw. den Versicherungsvertrag?

Dort, wo die meisten der angesprochenen Sanktionen geregelt sind – also in den o.g. EU-Verordnungen – lassen sich keine Rechtsfolgen finden.

Allerdings helfen die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln des BGB weiter. In § 134 BGB heißt es, dass ein „Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (…) nichtig“ ist, „sofern sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Die EU-Sanktionsverordnungen gelten gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar und stellen ein Gesetz i.S.v. § 134 BGB dar. Anders sieht es mit Völkerrecht und Sanktionen des UN- Sicherheitsrates aus, da diese sich an Staaten und nicht an einzelne Privatpersonen richten.

Verstößt ein Versicherungsvertrag gegen eine EU-Sanktion, die auf einer EU-Verordnung basiert, so ist der Versicherungsvertrag nichtig gem. § 134 BGB i.V.m. Art. 288 Abs. 2 AEUV.

Bei Versicherungsverträgen, die verschiedene Risiken oder Projekte abdecken, stellt sich dann die Frage was geschieht, wenn nur ein Teil des Versicherungsvertrages gegen eine der EU Sanktionen verstößt. Gem. § 139 BGB ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist und man nicht annehmen kann, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Je nachdem wie die Einschätzung bezüglich dessen aussieht, könnte also der gesamte Versicherungsvertrag nach § 139 BGB nichtig sein.

Was aber, wenn die Versicherung möglicherweise andere, ausländische Sanktionen verletzt? In dem Fall kann nicht auf § 134 oder § 139 BGB zurückgegriffen werden. Aber § 138 BGB bietet eine Lösung, er besagt, dass Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen nichtig sind. Dies kann auf ausländische Embargovorschriften angewandt werden und führt letztlich ebenso zu einer Nichtigkeit.

In Folge einer Nichtigkeit des Versicherungsvertrages besteht kein Prämienanspruch und auch keine Prämienrückgewähr, keine Deckung und es gibt keine Rückstellungen. Für den Fall, dass der Vertrag dennoch als wirksam erachtet werden sollte, wäre er aber nicht erfüllbar. Ob des Verbotes der Bereitstellung von Finanzmitteln und -hilfen können keine Prämien ausgezahlt werden.

Was gilt für Belarus?

Auch gegen Belarus wurden eine Vielzahl an EU-Sanktionen erlassen (EU Verordnung 765/2006 konsolidierte Fassung vom 28. Februar 2023 und EU Verordnung 269/2014; EU Verordnung 1594/2023 vom 3. August 2023; Beschluss 2012/642/GASP vom 15. Oktober 2012).

Vergleichbar mit den Sanktionen gegen Russland, sind gegen einzelne gelistete Personen und Einrichtungen in Belarus Finanzsanktionen verhängt worden (EU-Verordnung 765/2006, Fassung vom 28.02.2023 und Durchführungsverordnung 2023/1591 des Rates; EU-Verordnung 269/2015 des Rates).

Zudem ist es verboten, Versicherungen oder Rückversicherungen für die belarussische Regierung, oder eng mit ihr verbundenen Unternehmen, Organisationen und Personen, bereitzustellen. Ausnahmen davon gelten für Pflichtversicherungen oder Haftpflichtversicherungen für Risiken, die in der EU belegen sind.

Transaktionen im Zusammenhang mit Vermögenswerten der belarussischen Zentralbank oder aber gelisteten sanktionierten Banken sind ebenso verboten.

Ebenso wie in den Sanktionen gegen Russland, gilt auch gegen Belarus ein Embargo hinsichtlich einiger Güter (siehe z.B. Anhang III und IV der VO 765/2006). Darunter findet sich Ausrüstung, die zur internen Repression verwendet werden kann, sogenannte „Dual-Use“-Güter und allgemein Güter für die militärische Stärkung von Belarus. Soweit also sehr vergleichbar mit den Sanktionen gegen Russland.

Die USA, Großbritannien, Kanada und einige weitere Staaten haben ebenso Sanktionen gegen Belarus erlassen.

Letztlich ergibt sich somit bzgl. der Sanktionen gegen Belarus ein vergleichbares Bild wie zu Russland.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Sanktionen der EU (aber auch die internationalen) sind weitreichend und decken große Teile des Versicherungsgeschäfts in Russland, mit russischen Firmen oder in Bereichen mit Bezug zu Russland (zB. Transportwege) ab. Gleiches gilt für Belarus.

Es ist daher von besonderer Wichtigkeit, dass bereits im Vorfeld, im Underwriting, bei der Versicherungsvermittlung und der Vertrags- oder Programmgestaltung genau geprüft wird, für wen und für was und wo der Versicherungsschutz bestehen soll – also welche Risiken gedeckt sind, und wo diese Risiken belegen sind.

Mit Blick auf die Schadensbearbeitung muss ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, an wen ausgezahlt werden soll, und auch in welcher Währung dies geschehen würde. Finanzflüsse in Euro sind teilw. ebenfalls verboten.

Sofern eine Sanktionsklausel besteht, muss diese genau analysiert werden. Dabei kommt es darauf an, ob Territorialklauseln enthalten sind, die bestimmte Gebiete komplett ausschließen, ob zivil- oder strafrechtliche Folgen genannt werden, und ob sich eine Regelung über das Kriegsende und dessen Auswirkungen auf den Vertrag findet. Hier gilt es also, „das Kleingedruckte“ mit Bedacht zu lesen und zu analysieren, denn bereits kleine Abweichungen von Standard-Klauseln können hier zu drastischen Folgen hinsichtlich des Versicherungsschutzes führen.

Source: Norden Rechtsanwälte; Christian Drave, LL.M., Clara Schattauer, 4. November 2023

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Christian Drave, LL.M.
Christian Drave, LL.M.
Rechtsanwalt und Partner bei NORDEN Rechtsanwälte
Master of Insurance Law
Clara Schattauer
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Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei NORDEN Rechtsanwälte